24.10.2019
Das Laub bedeckt die Straßen, die Temperaturen sinken. Sobald die kalte Jahreszeit beginnt, steigen weltweit die Sorgen von Imkern. Dabei ist die größte Bedrohung für Honigbienen weder das Wetter oder ein Pflanzenschutzmittel, sondern eine kleine Milbe, die sich weltweit immer mehr ausbreitet: die Varroamilbe.
Klein, aber gefährlich
Bereits 1967 tauchte die Varroamilbe erstmals in Europa auf. Es wird vermutet, dass der Parasit aus Ostasien mit importierten Bienen nach Europa eingewandert ist. Seitdem bekämpfen Wissenschaftler und Imker den Parasiten – bislang aber oft mit geringem Erfolg. Dabei gilt die etwa 1,5 Millimeter kleine Milbe als „größte Bedrohung“ und „gefährlichster Feind der Biene“. Der Parasit ist lang, oval und braun und hängt sich mit seinen Haftapparaten an Larven und ausgewachsene Bienen. Ist ein Bienenvolk von der Milbe befallen, wird dies als Varroose bezeichnet. Der Parasit zerstört in manchen Wintern 20 bis 30 Prozent der Bienenvölker. Das erklärt auch ihren wissenschaftlichen Namen „Varroa destructor“ – die Zerstörermilbe. Dadurch entsteht nicht nur ein enormer wirtschaftlicher Schaden für die betroffenen Imkereien, sondern auch für die Landwirte, da die Bestäuber für die Nutzpflanzen fehlen. Weltweit gelten mittlerweile circa ein Drittel aller Bienenvölker als befallen.
Folgen des Befalls
Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass sich die Varroamilbe vom Blut der Bienen ernährt. Doch Wissenschaftler gehen nach jüngsten Untersuchungen davon aus, dass die Milbe den Fettkörper der Bienen anzapft. Dieser Fettkörper ist vergleichbar mit der menschlichen Leber: er speichert die Nahrung, stärkt das Immunsystem und entgiftet den Organismus. Der Fettkörper stärkt also gegen Pestizide und Säuren. Wird dieses Organ geschwächt, hat das große negative Folgen für die Gesundheit der Bienen. Sie werden anfälliger gegen Pestizide und andere körperfremde chemische Stoffe.
Wird die Bienenbrut von Milben befallen, zeigt diese Entwicklungsstörungen und stirbt häufig kurz nach dem Schlüpfen. Überleben die Larven, zeigt sich der frühe Befall auch bei vermeintlich ausgewachsenen Bienen. Sie sind in der Folge kleiner als eine gesunde Biene. Das Insekt ist entsprechend schwächer und hat größere Probleme, einen längeren Winter zu überstehen. Werden erwachsene Bienen von dem Parasiten befallen, wird das Immunsystem so stark geschwächt, dass auch sie nur selten den Winter überstehen. Ein Befall durch die Milbe ist außerdem gefährlich für die Bienen, weil sie gefährliche Keime übertragen kann.
Je kürzer der Winter, desto gefährlicher
Die Temperaturen und die Jahreszeiten haben auch einen großen Einfluss auf die Population der Varraomilben. Untersuchungen der Universität Hohenheim konnten zeigen: Beginnt die wärmere Jahreszeit früher, fallen die Winterverluste höher aus. Bei einem späten Frühjahr fallen die folgenden Winterverluste niedriger aus. Je später die Bienen im Frühjahr mit dem Sammeln beginnen, desto weniger kann die Varroamilbe die Bienenvölker schädigen. Die Forscher vermuten, dass sich die Varroamilben in Jahren mit einem frühen Trachtbeginn stärker vermehren und deshalb die Bienen im Jahresverlauf stärker schädigen.
Sauna, Säure, Antidepressiva?
Befallene Völker können sich nicht aus eigener Kraft gegen die Varroamilbe wehren. Werden sie nicht unterstützt, sterben sie nach wenigen Jahren. Dieses Schicksal ereilt vor allem Wildbienen. In der Europäischen Union und der Schweiz sind Imker deshalb gesetzlich dazu verpflichtet, bei Befall eine Behandlung durchzuführen. Zur Bekämpfung der Parasiten gibt es mittlerweile ganz unterschiedliche Ansätze. Forscher legen ihren Fokus auf die natürlichen Abwehrkräfte der Bienen. Denn manche Bienen haben bessere Abwehrmechanismen gegen die Schädlinge entwickelt. Diese Stämme werden dann gezielt vermehrt und befallene Brutzellen schnell ausgeräumt. Damit soll der Entwicklungszyklus des Parasiten unterbrochen werden.
Maßnahmen zur Bekämpfung der Varroamilbe
Einige Imker versuchen hingegen, den Parasiten mit Wärme zu bekämpfen. Dabei erwärmen sie die Bienenstöcke auf 40 Grad Celsius. Während die hitzeempfindlichen Milben dabei geschädigt werden, ist diese Temperatur für Bienen kein Problem. Die Bienenstock-Sauna funktioniert aber nur bedingt, da Bienen bei Temperaturen über 34,5 Grad Celsius Wasser in den Stock bringen und mit den Flügeln Luft zufächeln, um die Temperatur zu senken. Viele Imker setzen hingegen zumeist Ameisen-, Milch- oder Oxalsäure zur Bekämpfung der Milben ein. Die organischen Säuren schaden den Parasiten und sind zugleich, in der richtigen Dosierung, harmlos für die Bienen. Ameisensäure ist ein natürlicher Bestandteil von Bienenhonig, Oxalsäuren sind in beinahe jedem Gemüse zu finden und Milchsäure ist als natürliche Substanz unter anderem aus Joghurt und Sauerteig bekannt. Es handelt sich bei dieser Behandlung also um eine naturbelassene und gesundheitlich unbedenkliche Maßnahme. Imker dürfen den Parasiten nur in der Zeit bekämpfen, in der die Bienen keinen Honig produzieren und der Honig ausgeschleudert ist. Damit wird verhindert, dass mögliche Rückstände von Säuren in den Honig eingetragen werden. Es ist außerdem wichtig, danach regelmäßige Befallskontrollen und Nachbehandlungen durchzuführen.
Neu entdecktes Mittel gibt Hoffnung
Doch all diese Mittel gelten nur als bedingt effektiv zur Reduzierung der Milben und zur Sicherung des Honigbienen-Bestands. Zuletzt wurde ein Mittel entdeckt, dass große Hoffnungen bei Imkern weckt. Eher durch Zufall fanden Forscher der Universität Hohenheim heraus, dass Lithiumchlorid – ein Wirkstoff, der bei Menschen gegen Depressionen eingesetzt wird – die Milben wirksam reduziert. Der Vorteil: Die Bienen werden durch den Wirkstoff nicht geschädigt, auch der Honig wird dadurch nicht verunreinigt. Zudem ist der Wirkstoff gut verfügbar und günstig zu beziehen. Doch kann der Wirkstoff kurzfristig helfen, das Bienensterben zu stoppen?
Von Selbstversuchen wird abgeraten
Imker müssen sich noch einige Jahre gedulden. Bis zur offiziellen Zulassung des Wirkstoffs zur Milbenbekämpfung können noch vier Jahre vergehen. Von Selbstversuchen vor der Zulassung wird jedoch wegen der fehlenden Erforschung des Wirkstoffs zur Varroabekämpfung dringend abgeraten. Der Einsatz würde derzeit auch gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen. Bis dahin heißt es: Die Bienen so gut wie möglich mit den gängigen Mitteln unterstützen. Wenn die Bienen im nächsten Frühjahr wieder aus ihren Stöcken schwirren, wird sich zeigen, welche Schäden die Varroamilben in diesem Winter angerichtet haben. Auch wenn die Völker dann deutlich dezimiert sein sollten, haben sie wieder den ganzen Sommer, um sich von den Schäden zu erholen.
Quellen:
www.br.de
www.welt.de
www.uni-hohenheim.de
www.uni-hohenheim.de
www.bihophar.de
https://utopia.de/ratgeber/varroamilbe-warum-sie-so-gefaehrlich-fuer-bienen-ist/
www.deutschlandfunk.de
bienenmonitoring.uni-hohenheim.de